Von namhaften Wissenschaftlern wurde der Umgang mit Rückenschmerzen in den letzten 50 Jahren als „das größte medizinische Desaster des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Rückenschmerzen und deren Folgen, wie zum Beispiel Depressionen, verursachen in Deutschland einen jährlichen Kostenaufwand von ca. 48 Mrd. Euro. Ungefähr 20 Mio. Menschen suchen jährlich, aufgrund von Rückenschmerzen, den Arzt auf. Das Auftreten und der Verlauf von Rückenschmerzen werden durch das komplexe Zusammenwirken von vielen verschiedenen Risikofaktoren beeinflusst. Diese Faktoren können nicht nur das Auftreten von Rückenschmerzen bedingen, sondern auch deren Chronifizierung.
Es gibt eine Vielzahl von Therapieoptionen für Rückenschmerzen. Die Diagnostik und Therapie erfolgt bislang wenig standardisiert. Aus diesem Grund sind Leitlinien für Ärzte und Patienten eine wichtige Orientierungshilfe. In einer Studie der Bertelsmann Stiftung kam heraus, dass bei weiten Teilen der Bevölkerung das veraltete biomedizinische Krankheitsverständnis überwiegt. Das bedeutet, Krankheiten, so auch Rückenschmerzen, entstehen primär durch externe Schädigungen und können am besten durch medizinische Behandlungen behoben werden.
Bei einem Großteil der Patienten können die Beschwerden nicht eindeutig einem medizinischen Befund zugeordnet werden. Die Kernempfehlung bei unspezifischen Rückenschmerzen sind, soweit wie möglich körperlich aktiv zu bleiben und Bettruhe zu vermeiden. Darüber wie über die im Regelfall gute Prognose sollten die Patienten aufgeklärt werden. In der Nationalen Versorgungsleitlinie Nicht spezifischer Kreuzschmerz wird auf die Aufklärung über die Ungefährlichkeit der meisten Rückenschmerzen hingewiesen und sie wird gefordert. Diese Informationen haben großen Einfluss auf den Umgang mit Schmerzen und sind ausschlaggebend für den weiteren Krankheitsverlauf.
Um dies zu überprüfen, wurde im Rehazentrum Augsburg im Rahmen einer Bachelorarbeit eine Studie durchgeführt.
An der Studie nahmen Patienten mit Rückenschmerzen teil, die im Rahmen einer Trainingstherapie im Rehazentrum trainierten.
Schmerzedukation bedeutet, dass der Patient über den Schmerz aufgeklärt wird.
Dies beinhaltet zum Beispiel die Funktion von Schmerz, welche Ursachen Schmerz haben kann und welche Faktoren den Schmerz beeinflussen können.
Folgende Forschungsfragen sollten geklärt werden:
Für die Studie wurden die Teilnehmer zwei Gruppen zugeteilt. Die Untersuchung erfolgte mittels einer schriftlichen Befragung. Alle Teilnehmer füllten vor der ersten und letzten Trainingseinheit den Behinderungsfragebogen bei Rückenbeschwerden aus. Dieser beinhaltet Fragen zur aktuellen Schmerzstärke und Tätigkeiten aus dem Alltag. Es gibt jeweils 6 Antwortmöglichkeiten. Diese werden mit Punkten von 0-5 bewertet. Zusätzlich erhielten die Teilnehmer der einen Gruppe zu Beginn die Aufklärungsbroschüre „Rückenschmerzen verstehen“. Während des Untersuchungszeitraumes trainierten alle Teilnehmer nach dem für sie erstellten Trainingsplan.
Die erste Forschungsfrage, ob Patienten mit Schmerzedukation weniger Schmerzen haben, als Patienten ohne Schmerzedukation, lässt sich anhand der Ergebnisse positiv beantworten. Die Teilnehmer der Gruppe, welche die Aufklärungsbroschüre erhalten haben, haben im Durschnitt weniger Schmerzen als die Teilnehmer der Gruppe ohne Aufklärungsbroschüre. In dieser Gruppe hat sich die Schmerzstärke durchschnittlich erhöht.
Die zweite Forschungsfrage, ob Patienten mit Schmerzedukation im Alltag weniger beeinträchtigt sind, als Patienten ohne Schmerzedukation, muss negativ beantwortet werden. Die Teilnehmer der Gruppe mit Aufklärungsbroschüre sind im Durchschnitt eingeschränkter in ihren Alltagstätigkeiten als die der Gruppe ohne Aufklärungsbroschüre. Allerdings hat sich die Beeinträchtigung der Gruppe mit Aufklärungsbroschüre im Durchschnitt um 3,86% gesenkt. Bei der anderen Gruppe hat sie sich durchschnittlich um 0,18% verschlechtert.
Aufgrund der geringen Stichprobengröße, haben die Ergebnisse keine allgemeingültige Aussagekraft.
Es zeigt sich allerdings, wie auch schon in anderen Studien, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Schmerzedukation und der Schmerzstärke gibt.